Der Eigenmietwert ist tot – wie lange lebt der neue König?

Nach 91 Jahren und unzähligen Anläufen im Parlament ist es nun so weit: Der Eigenmietwert gehört der Vergangenheit an. Mit einer klaren Mehrheit von 57,7 % hat das Schweizer Stimmvolk dem Bundesbeschluss über die kantonalen Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften und damit der Abschaffung des Eigenmietwerts zugestimmt. Doch ob dies tatsächlich als Sieg der Hauseigentümerinnen und -eigentümer gefeiert werden kann, bleibt umstritten. Klar ist nur: Während manche profitieren, geraten andere ins Hintertreffen.

Nach Jahrzehnten politischer Debatte ist der Eigenmietwert Geschichte – doch was als grosser Erfolg gefeiert wird, hat auch Schattenseiten.

Was war der Eigenmietwert?

Der Eigenmietwert wurde 1934 in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit eingeführt, als der Staat dringend zusätzliche Einnahmen benötigte. Die in dieser Form weltweit einzigartige Steuer verpflichtete Eigenheimbesitzer dazu, den fiktiven Mietwert der selbstbewohnten Liegenschaft zu versteuern – mit der Begründung, dass sie im Vergleich zu Mietenden keine Wohnkosten tragen mussten.
Im Gegenzug konnten Schuldzinsen sowie Unterhalts- und Renovationskosten von den Steuern abgezogen werden. Dieses System sorgte jahrzehntelang für intensive Diskussionen und wiederholte Reformversuche – bis jetzt.

Gewinner und Verlierer der Abschaffung

  • Gewinner sind vor allem ältere Eigentümerinnen und Eigentümer, die ihre Hypotheken bereits weitgehend zurückbezahlt haben und deren Liegenschaften in gutem Zustand sind. Sie profitieren vom Wegfall des Eigenmietwerts, ohne wesentliche Nachteile bei den Abzügen in Kauf nehmen zu müssen.
  • Verlierer hingegen sind jene, die erst kürzlich eine sanierungsbedürftige Immobilie erworben haben – häufig junge Familien mit hohen Hypothekarschulden. Für sie übersteigen die wegfallenden Abzugsmöglichkeiten den finanziellen Vorteil durch den abgeschafften Eigenmietwert bei weitem.

Auswirkungen auf den Immobilienmarkt

Eine aktuelle Studie der Raiffeisenbanken zeigt: Seniorinnen und Senioren behalten ihre Immobilien besonders lange und tragen damit wesentlich zur Knappheit von Einfamilienhäusern auf dem Markt bei. Der Wegfall des Eigenmietwerts verstärkt diesen Effekt, da das Halten der Immobilie steuerlich noch attraktiver wird. Die Folge: Das Angebot bleibt knapp, die Preise steigen weiter – in einem Markt, der schon heute als überhitzt gilt.
Hinzu kommt ein weiterer Nebeneffekt: Energetische Sanierungen verlieren an steuerlicher Attraktivität. Eigentümerinnen und Eigentümer dürften daher weniger häufig in teure Sanierungen investieren. Dies könnte nicht nur den Klimazielen zuwiderlaufen, sondern auch das Baugewerbe mit seinen zahlreichen Arbeitsplätzen belasten.

Fazit

Die Abschaffung des Eigenmietwerts ist ein historischer Schritt – doch von einem eindeutigen Sieg der Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer kann keine Rede sein. Wer profitiert und wer verliert, hängt stark von der individuellen Situation ab. Sicher ist nur: Die Debatte rund um Wohneigentum, Steuern und Immobilienpreise wird uns auch in Zukunft begleiten.

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Immobilienökonom