Marktdaten

Ein Blick über die Grenze: Immobilienmarkt Singapur

In der letzten Dekade stiegen Singapurs Immobilienpreise durch globale Liquidität und niedrige Zinsen rasant. 2022 brachte jedoch Inflation und Zinserhöhungen. Trotzdem stiegen in Singapur die Preise um 5,2% aufgrund von Landesreichtum, Renditeattraktivität und seinem Status als sicherer Hafen. Analysten erwarten einen kontinuierlichen, aber verlangsamten Preisanstieg. Singapurs Immobilienmarkt zeigt Resilienz, aber das globale Investitionsklima hat sich grundlegend verändert.

Von Richard Auf der Maur
Der Immobilienmarkt in Singapur tanzt aus der Reihe - doch wer gibt eigentlich den Takt an?
Der Immobilienmarkt in Singapur tanzt aus der Reihe – doch wer gibt eigentlich den Takt an?

Ein Blick zurück

Die letzte Dekade war geprägt von einer ultralockeren Geldpolitik und einer totgeglaubten Inflation. Wenn sichere Staatsanleihen keine Rendite abwerfen und Geld keinen Preis hat, dann spielen die Bewertungen von riskanteren Anlagen verrückt. Ob Aktien, Immobilien, Private Equity oder Kryptowährungen – alles wurde von der Liquiditätsflut in die Höhe gehoben. 

So auch der Immobilienmarkt in Singapur. CNBC betitelte letztes Jahr die Entwicklungen im asiatischen Inselstaat mit knapp 5.5 Millionen Einwohnern als “Immobilienmarkt auf Steroiden“. Diese Schlagzeile entsprach durchaus dem herrschenden Zeitgeist, denn schliesslich akzentuierte sich der Immobilienboom im asiatisch-pazifischen Raum nach Corona signifikant; allein im Jahr 2021 stiegen die Immobilienpreise in Singapur um über 15%.

2022: Ein neues Anlageregime

Das aktuelle Jahr würde man in der Filmsprache wohl als „Plot Twist“ bezeichnen: Die Rückkehr der Inflation, der heftige Zinsanstieg und der von den Zentralbanken forcierte Liquiditätsentzug liessen die Notierungen sowohl an den Aktien- wie auch an den Bondmärkten einbrechen. Keine Anlageklasse bot Schutz vor dem globalen Sturm, der Währungshüter und auch viele Investoren auf dem falschen Fuss erwischt hat.

Die Inflation hat schliesslich auch in Singapur Einzug gehalten (siehe Abbildung) und die Zentralbanker zu massiven Zinserhöhungen gezwungen, um einer sich abzeichnenden Lohn-Preis-Spirale entgegenzuwirken und die Preisstabilität, das Primat der Geldpolitik, zu gewährleisten.

Der Anstieg der Teuerung in Singapur hat entsprechende Zinserhöhungen nach sich gezogen.
Der Anstieg der Teuerung in Singapur hat entsprechende Zinserhöhungen nach sich gezogen.

Lokalen Medienberichten zufolge sind die Hypothekarzinsen bei den grossen Banken Singapurs im bisherigen Jahresverlauf von durchschnittlich 1.2% auf bis zu 3.8% angestiegen.

Wenn die Gezeiten drehen, dann bleiben all die Anlagen, deren Preisniveau sich nur in einer Welt unbegrenzter Liquidität und ewig tiefer Zinsen rechtfertigen liess, im Schlick der Realität stecken. Die Mechanik steigender Zinsen hat normalerweise eine brutale Ehrlichkeit in der Adjustierung der Renditeerwartungen und folglich der Immobilienpreise.

Singapurischer Immobilienmarkt zeigt sich unbeeindruckt

In Singapur steigen die Preise im Jahr 2022 trotz Zinserhöhungen weiter an – im Durchschnitt um über 5.2%. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Wohnimmobilienmarkt steigende Zinsen und drohende Risiken ignoriert. Es gibt andere Faktoren, welche die Preise weiter in die Höhe treiben und so scheinbar der wirtschaftlichen Logik trotzen:

  1. Reichtum: Singapur ist mit einem BIP pro Kopf fast USD 75’000 eines der reichsten Länder der Welt. Entsprechend gibt es zahlreiche, wohlhabende Käufer, welche Immobilien als „Store of Value“ bzw. im aktuellen Kontext als Inflationsschutz erwerben wollen. Dabei sind die meisten Investoren kaum auf Kredite angewiesen – der durchschnittliche Belehnungsgrad (LTV) in Singapur beträgt gerade einmal 51%. Oftmals erfolgt die Finanzierung sogar gänzlich ohne Fremdkapital als sogenannte All-Cash Offers.
  2. Relative Attraktivität von Renditeliegenschaften: Eine umsichtige Politik und der Verzicht auf restriktive staatliche Interventionen hat im Laufe der Jahre dafür gesorgt, dass die Mieten in Singapur weitgehend mit dem Wachstum der Immobilienpreise Schritt halten konnten. Getrieben durch das knappe Angebot und das Bevölkerungswachstum, sind die Mieten von Mitte 2021 bis Mitte 2022 um über 16% angestiegen. Die steuerlichen Anreize (keine Erbschaftssteuer, sehr geringe Vermögenssteuer) locken zudem ausländische Investoren an, was die Nachfrage weiter befeuert.
  3. Sicherer Hafen: Singapur, ein Land, das oftmals als “Switzerland of Asia” bezeichnet wird, verzeichnet dank dem stabilen politischen Umfeld, der starken Währung und der offenen Wirtschaftspolitik seit Jahren den grössten Zufluss an Neugeldern in Form von Direktinvestitionen im asiatischen Raum. Die rasche wirtschaftliche Öffnung der Stadt nach der Pandemie, die Bemühungen, globale Talente anzuziehen, und die relative Neutralität inmitten der zunehmenden Spannungen zwischen den USA und China haben diesen Status nur noch gefestigt.

Zusammenfasend lässt sich festhalten, dass der Immobilienmarkt in Singapur von viel Reichtum und den politischen Rahmenbedingungen gestützt wird und entsprechend kaum auf Zinsveränderungen reagiert – die Nachfrage ist sehr unelastisch in Bezug auf das Zinsniveau. Man kann demnach eine ganz andere Dynamik beobachten als im australischen Markt, welchen ich letzten Monat analysiert habe.

Ein Blick in die Zukunft

Die Preise für privates Wohneigentum befinden sich in Singapur nach wie vor im Aufwärtstrend und stiegen im dritten Quartal dieses Jahres um 3.4% im Vergleich zum Vorquartal, wie aus den aktuellen Daten der Urban Redevelopment Authority of Singapore hervorgeht.

Die Konsensmeinung ist, dass die Immobilienpreise dank der grossen Nachfrage weiter steigen werden, wenn auch langsamer als im Jahr 2021. Da die Hypothekenzinsen im nächsten Jahr voraussichtlich auf über 4% ansteigen werden, erwarten Analysten, dass sich der Anstieg der Immobilienpreise von 8% bis 10% in diesem Jahr auf etwa 2% bis 4% im Jahr 2023 abschwächen wird.

Fazit

Singapur ist nicht immun gegen den Gegenwind, der den globalen Immobilienmärkten entgegenschlägt. Aber strukturelle Faktoren – die Stellung als Finanzzentrum, eine starke makroprudenzielle Politik, der Bevölkerungszuzug und das begrenzte Angebot – sorgen dafür, dass sich der Markt derzeit als sehr resilient erweist. Ob der Immobilienmarkt in Singapur auf die steigenden Kreditkosten doch noch reagiert, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

Sicher ist, dass uns im Jahr 2022 eines schmerzlich bewusst wurde: Die Weltwirtschaft und auch die Immobilienmärkte werden nicht zum Zustand zurückkehren, der vor der Pandemie geherrscht hatte. Ein neues Anlageregime hat begonnen und sowohl TINA (There Is No Alternative) als auch FOMO (Fear Of Missing Out) gehören der Vergangenheit an. Bei Investitionsentscheidungen ist ein differenzierter und selektiverer Ansatz gefragt. Eine Rückkehr zum Status quo ante, wie er in den vergangenen Jahrzehnten geherrscht hat, ist unwahrscheinlich.

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Dieser Artikel wurde ursprünglich am 30. November 2022 16:37 veröffentlicht, wurde aber regelmässig aktualisiert, um die Informationen aktuell zu halten.